Freitag, 30. März 2018

RIB Software - Ein Traum für alle Fans von Buzzword-Bingo

RIB Software - Ein Traum für alle Fans von Buzzword-Bingo

Ich versuche ja doch immer wieder, mir zu sagen: Junge, du bist aus Deutschland. Schau dir doch auch mal deutsche Unternehmen an. Das mach ich dann auch ab und an und sehe oft wenig Wachstum, geringe Margen, zu hohe Dividenden, keine Aktienrückkäufe und Aktienkurse, die aussehen, als hätten die Kollegen vom Magazin 'Der Aktionär' eine neue angehende Kursrakete zum pushen gesucht und gefunden. So ging es mir gerade mal wieder mit RIB Software AG, die gestern ihren Jahresbericht 2017 veröffentlichten.

Beim ersten Durchlesen der AdHoc-Meldung dachte ich mir noch: schaut doch ganz gut aus. Umsatz knapp 10 % gesteigert von 97,9 Mio. auf 108,3 Mio und Konzernüberschuss um knapp 27 % von 14,4 Mio. auf 18,4 Mio. €. Skeptisch wurde ich nur, als ich sah, dass der Kurs knapp 15 % abgesackt war. Und dann fiel mir etwas auf, dass da irgendwas nicht ganz passte. Nämlich der Gewinn pro Aktie von 0,40 €. Unpassend sah er deswegen aus, weil daneben der Kurs von rund 17 € stand (also KGV ca. 40). Und zwar nach dem Absinken. Als nächstes warf ich also mal einen Blick auf das komische 1-Jahres-Chartbild, welches einen recht gleichmäßigen Anstieg von 12 € auf etwa 35 € zeigte und dann eine Halbierung des Kurses. D.h. in der Spitze waren Leute bereit, für dieses aktuell solide wachsende deutsche Softwareunternehmen das ca. 80-fache des Gewinns zu zahlen. Sauber...

Was macht das Unternehmen, welches seit 1961 existiert und seit 2011 an der Börse notiert ist: es erstellt Software für die Baubranche. Reißt mich jetzt erst mal nicht vom Hocker. Im 178-seitigen Geschäftsbericht findet man dann Buzzword-Bingo vom Feinsten. Kostprobe gefällig: MTWO ist die vertikale Cloud-Lösung, die auf der iTWO 4.0 5D BIM Enterprise-Technologie von RIB basiert, ergänzt durch Microsoft Azure sowie der nächsten Generation von künstlicher Intelligenz, Internet der Dinge (IoT) und Mixed-Reality-Anwendungen mit HoloLens-Gläsern. Fehlt irgendwie nur noch, dass sie was von sauberer Energie durch Elektrofahrzeuge schreiben...

Als nächstes sehe ich, dass der Vorsitzende des Verwaltungsrates Thomas (genannt Tom) Wolf 18,65 % der Anteile besitzt und einen Brief an die Aktionäre geschrieben hat. Also so ähnlich, wie Jeff Bezos, der seine '97er Vision von Amazon auch immer wieder zum Besten gibt. Herr Wolf fängt damit an, dass in 2010 die ersten Aktien OTC (Over the Counter - wie beim Wolf of Wall Street) für 0,88 cent gehandelt wurden. Der Ausgabepreis ein Jahr später waren 8,88 € und innerhalb von 10 Jahren möchte er einen Kurs von 88 € erreichen. Das nenne ich mal tolle Ziele für ein Unternehmen. Bis Mitte Februar sah es ganz gut aus, doch jetzt ist es wieder etwas weiter von 17 € auf 88 € zu kommen innerhalb von 3 Jahren. Vielleicht kann man bei Bedarf einfach einen 1:10-Split durchführen.

Dann folgt wieder viel bla und blubb im GB, eine Dividendenzahlung von 0,18 € und ich denke mir wieder: wie soll das Wachstum von statten gehen, wenn ihr knapp die Hälfte des Jahresgewinns raushaut? Und das anscheinend jedes Jahr. Typisch Deutsch halt...

Dann schaue ich mir ein paar ältere Geschäftsberichte an und sehe für Softwarehersteller unterdurchschnittliche Renditen (eine EK-Rendite von 6 % haut mich nicht vom Hocker) und viel unnütz rumliegendes Kapital. Zugegeben: die Wachstumsraten sind in Ordnung, aber umwerfend sind sie nicht. Ja, der Umsatz wurde von 30 Mio. in 2009 auf 108 Mio. in 2017 gesteigert, aber das rechtfertigt für mich keine Bewertung mit dem knapp 12-fachen Jahresumsatz (vor dem Absturz). Und dann finde ich im Internet die Aussage des Finanzvorstands Michael Sauer, der kann sich den aktuellen Absturz nicht erklären kann: “Es ist für uns überhaupt nicht ersichtlich, woher der Druck auf die Aktie kommt”, sagte er der Nachrichtenagentur Reuters. “Unser operatives Geschäft läuft extrem erfolgreich.” Ich versuch mal eine Erklärung: Facebook muss schuld sein. Oder die Russen :-)

Herzlichen Glückwunsch übrigens an den Kollegen bei den Spekunauten hier. War ein guter Short-Call bisher.

Für das Zusammentragen der Zahlen seit 2010, wie ich sie sonst immer durchführe, habe ich dann keine Lust mehr. Nicht weil die Zahlen schlecht aussehen würden. Das tun sie nämlich nur, wenn man sie in Relation zum Preis/Kurs sieht. Ich hab nur keine Lust, weil mir der Kopf wehtut vom dauerhaften Schütteln des selbigen während der letzten 1.5 Stunden. Vielleicht schaue ich sie mir ja in ein paar Monaten mal etwas ernsthafter an, wenn sie noch preiswerter geworden sind. So aber bleibt mir nur zu sagen 'Frohe Ostern liebe Leser'.

5 Kommentare:

  1. Sehr schöner Artikel!
    Ich kann Deinen Frust sehr gut nachvollziehen. Vor einigen Monaten bin ich hochmotiviert zum Eigenkapitalforum der Deutschen Börse gefahren und habe dort in 2 Tagen ca. 20 Vorträge gehört und Einzelgespräche geführt mit deutschen Softwareunternehmen. Und das alles mit dem Ziel, doch mein High-Tech-Depot etwas mehr regional zu diversifizieren und neben den vielen US-Unternehmen auch mal in das ein oder andere deutsche Wachstumsunternehmen zu investieren, das dem internationalen Vergleich standhalten kann

    Das ernüchternde Fazit damals: "Ich habe auf dem Eigenkapitalforum viele Unternehmen gesehen, die ein solides und profitables Geschäft haben. Aber in den allermeisten Fällen werden diese Unternehmen viel zu teuer gehandelt gerade im Vergleich zu ihren doch begrenzten Wachstumsaussichten. Die führenden deutschen Softwarefirmen sind oftmals lokale Champions in ihrer Nische, aber echte internationale Player mit globalen Wachstumschancen kann man wirklich an einer Hand abzählen. Insofern bin ich tatsächlich etwas enttäuscht. Als High-Growth-Investor habe ich nur sehr wenig interessante Möglichkeiten gefunden. Aber auch mit der Brille eines Value-Investors gab es unter den soliden und moderat wachsenden Softwarefirmen eigentlich keine Schnäppchen zu finden. Soll heissen: deutsche Nebenwerte im Bereich Software/Internet sind m.E. generell sehr teuer momentan. Ich beobachte diese Branche nun schon seit vielen Jahren und habe den Eindruck, dass diese Unternehmen noch nie so teuer waren wie heute - und das bei oftmals beschränkter Wachstumsphantasie."
    Wer meine Eindrücke im Einzelnen nachlesen will: https://www.high-tech-investing.de/single-post/2017/11/29/Mein-Ausflug-in-die-Welt-der-Profi-Investoren

    Es ist wirklich traurig, das die besten deutschen Software-Unternehmer wie Tobi Lüttke (Gründer von Shopify) ihr Glück im Ausland gesucht und gefunden haben. Aber dafür gibt es natürlich gute Gründe - die allerdings diesen Kommentar sprengen würden...

    VG Stefan

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    1. Hallo Stefan,

      deinen Artikel hatte ich auch gelesen und mich darin wiedergefunden. Bei den deutschen IT-Unternehmen (v.a. den kleineren) ist es fast ausnahmslos so, dass sie entweder unterdurchschnittliche Margen haben oder aber abenteuerlich bewertet sind. Die Datagroup ist mir auch so ein Beispiel. Gutes Geschäft mit Wachstum, das OK ist, aber am Ende doch einfach - nach meinem Empfinden - zu teuer.

      Es werden auch wieder andere Zeiten kommen. Da bin ich mir sicher...

      Gruß
      Markus

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  2. Auch die Wirtschaftswoche hatte ein paar negative Artikel übre RIB.
    Demnach ist George Soros gerede erst short gegangen und die Hauptversammlung im Mai wird "interessant".

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    1. Sorry für die Rechtschreibfehler.

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    2. Interessant. Bin also nicht nur ich der Meinung, dass die Bewertung evtl. nicht ganz stimmt. Ich habe allerdings nix leer verkauft oder ähnliches. Finde es einfach nur abenteuerlich, was da teilweise aufgerufen wird an Preisen...

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