Donnerstag, 17. November 2016

Cimpress N.V. (CMPR): The company formally known as Vistaprint

Cimpress N.V. (CMPR): The company formally known as Vistaprint

In letzter Zeit musste ich mich aus privat-geschäftlichen Dingen ein wenig mehr mit dem Thema Marketingmaterialien auseinandersetzen (Visitenkarten, Flyer etc). Und so, wie mir bei Papiertaschentüchern Tempo, bei Suchmaschinen Google und bei Nuss-Nougat-Creme Nutella in den Sinn kommen, musste ich beim Thema Marketingmaterialien direkt an Vistaprint denken. Von diesem Unternehmen hatte ich in der Vergangenheit eigentlich bei gefühlt jeder zweiten Amazon-Bestellung einen Flyer im Paket. Werbung bringt also scheinbar doch manchmal was. Auch bei Leuten wie mir, die z.B. freies Fernsehen - neben der überschaubaren inhaltlichen Qualität - vor allem wegen der Werbung meiden. Nach Besuch der Vistaprint-Webseite wurde ich fündig und konnte mit relativ geringem zeitlichen Aufwand und überschaubaren Kosten schöne neue Visitenkarten und Flyer für eine nahestehende Physiotherapie-Praxis erstellen:

Das Ganze war auf jeden Fall um den Faktor 2-3 preiswerter, als beim Künstler nebenan, mit dem ich kurz in Kontakt stand. Nach Abschluss der Transaktionen dachte ich mir, dass ich sicherlich nicht der einzige Nutzer des Vistaprint-Angebots bin und wollte mehr über das dahinterstehende Unternehmen erfahren. Und so kam es zur Analyse von Cimpress N.V. (CMPR), die man nun hier lesen kann.

Zum Unternehmen:
Das Unternehmen wurde 1994 oder 1995 (je nach Quelle unterschiedliche Angaben) vom Amerikaner Robert Keane in Paris als Vistaprint gegründet. Sein Ziel war es, Kleinunternehmen und Privatkunden auf der einen Seite und Druckerein auf der andern Seite zusammen zu bringen, um diverse Artikel, wie Visitenkarten, Briefpapier oder sonstige Werbematerialien erstellen zu können. Er erkannte relativ früh, dass es einen Markt für sogenannte Mikroaufträge bei Marketingmaterial und sonstigen selbsterstellten Druckerzeugnissen gibt, welcher durch Nutzung von Software nur noch für jeden von überall aus zu geringen Kosten zugänglich gemacht werden müsste. Über Jahre hinweg wuchs das Unternehmen in rasantem Tempo. Zuletzt wurde ein Umsatz von mehr als 1.7 Mrd. $ erwirtschaftet. Ende 2014 wurde eine Namensänderung von Vistaprint in Cimpress N.V. durchgeführt. Das Cim in Cimpress steht hierbei für 'computer integrated manufactoring'. Der Hauptsitz des Unternehmens ist in den Niederlanden und mittlerweile kann man wahrscheinlich durchaus behaupten, dass es einer der weltweiten Marktführer wenn nicht sogar der Weltmarktführer in seinem Bereich (Mass Customization Products) ist.

Chartverlauf:

Allgemein betrachtet ging es seit dem Börsengang inkl. starken Schwankungen (z.B. 2008 bis 2010) bergauf. In den letzten 2 Jahren hat sich der Kurs in etwa verdoppelt. Die Q1-Zahlen kamen nicht ganz so gut an, würde ich behaupten. Von daher sind wir aktuell wieder ein Stück vom Allzeithoch bei etwa 103 $ entfernt.

Geschäftszahlen:

Das starke Wachstum bei Umsatz, EBITDA und bei den Cashflows ist nicht zu übersehen. Die EK-Rendite ist zuletzt auch stark gestiegen, was aber mehr am gesunkenen Eigenkapital denn an gesteigerter Produktivität liegt. Bis 2011 gab es kaum Finanzschulden. Ab 2011 ist die Verschuldung allerdings stark gestiegen und am Goodwill kann man erkennen, dass das Geld v.a. für Übernahmen genutzt wurde. In den vergangenen Jahren gab es eigentlich jedes Jahr eine größere Übernahme. U.a. wurde Ende 2015 die deutsche Online-Druckerei „WIRmachenDRUCK“ für über 140 Mio. € übernommen. Hier einmal ein interessantes Interview zu dem Thema. In den Geschäftsberichten selbst sind die zahlreichen Marken aufgeführt, die mittlerweile zu Cimpress gehören.

Was gefällt mir an Cimpress:

  1. Sie waren bisher durchgehend profitabel, auch wenn im ersten Quartal des aktuellen Geschäftsjahres ein Verlust steht.
  2. Starkes Wachstum auf ganzer Linie. Besonders gefällt mir hier das Wachstum bei den Cashflows, denn diese sind seit einigen Jahren wesentlich höher, als die Nettogewinne. Bei der Bestimmung des FCF habe ich die Ausgaben für Akquisitionen in den letzten Jahren einmal herausgerechnet, auch wenn das Wachstum hier viel damit zusammen hängt. Wenn man den reinen FCF mal gegen die nach oben getriebene Verschuldung hält, sieht diese gar nicht mehr so schlimm aus. Diese wäre rein theoretisch mit dem FCF aus dem letzten Geschäftsjahr in 5 Jahren komplett abbaubar.
  3. Der Gründer Robert Keane hat eine klare Vision. Er erinnert dabei ein wenig an Jeff Bezos von Amazon, denn auch er stellt den Kunden in den Mittelpunkt und möchte v.a. durch neue Dienstleistungen bzw. die Integration der verschiedenen Marken und der bereits angebotenen Dienstleistungen wachsen. Hier ein Link zu einem sehr interessanten Interview mit ihm aus 2014, in dem er einerseits über die Vergangenheit spricht, aber auch über die (damals) Zukunft des Unternehmens.
  4. Es gibt immer wieder starke Kursschwankungen, die einem ggf. einmal einen guten Einstieg ermöglichen. Um es vorweg zu nehmen: im Moment sind sie mir zu teuer, um einzusteigen.
  5. Sie sind meiner Meinung nach ein typischer "Disruptor" - so wie z.B. Amazon im Handelsgeschäft oder Wikipedia bei Lexika. Sie haben ein laufendes Geschäftfeld (Druckerei und Design) meiner Meinung nach verändert. In dem oben verlinkten Interview sagt Mr. Keane aber auch etwas Wichtiges zu dem Thema. Und zwar, dass man das Ganze auch als Chance sehen muss. Sie selbst sind seit einiger Zeit dabei, eine MCP (mass customization platform) zu erstellen, um auch B2B-Integration (also Geschäft zu Geschäft) in diesem Bereich weltweit zu vereinfachen. Es geht dabei - so wie ich es verstanden habe - darum, Händler/Dienstleistungsanbieter (wie Designer) und Ausführer (z.B. Druckerein) zusammen zu bringen. Daraus würde ich ableiten, dass sie die vorhandenen Druckerein und Dienstleister nicht kaputt machen wollen, sondern sie wollen sie integrieren und deren Zusammenarbeit fördern. Den lokal ansässigen Kreativen (Designern) sind sie aber wahrscheinlich trotzdem teilweise ein Dorn im Auge.
  6. Sie sind noch nicht weltweit vertreten und haben somit noch einiges an Platz zum Wachsen. Als Marktführer haben sie schon jetzt gewisse Größenvorteile und somit eine stärkere Position im Verdrängungswettbewerb.
  7. Die Vistaprint-Seite ist einfach zu bedienen. Man kommt schnell zum Ergebnis und im Zuge der Fertigstellung eines Auftrags bekommt man noch diverse 'Vorschläge' unterbreitet, die auf dem verwendeten Design aufbauen. Viele Anwender werden da sicherlich Ideen zu Produkten bekommen, an die sie initial gar nicht gedacht haben (z.B. Kugelschreiber, Tassen, Kalender etc.). Die anderen Angebote/Webseiten habe ich mir nicht weiter angeschaut.

Was gefällt mir nicht an Cimpress:

  1. Die mittlerweile relativ hohe Verschuldung könnte sich irgendwann rächen. Sie bezahlen jetzt schon relativ hohe Zinsen dafür. Sie haben z.B. einen nachrangigen Schuldschein über 275 Mio., der 2022 fällig wird und 7 % Zinsen kostet. Das ist meiner Meinung nach sehr viel in der heutigen Zeit. Auf die knapp 650 Mio. an Finanzschulden inkl. Krediten mit variablen Zinssätzen haben sie in Q1 fast 10 Mio. an Zinsen bezahlt. Pro Jahr wären das 40 Mio. $. Der durchschnittliche Zinssatz liegt also bei über 6 %. Hier kann sich jeder selbst ausrechnen, wie es aussieht, sollten wir mal die Niedrigzinsphase verlassen.
  2. Die Margen sind im Laufe der Zeit kleiner geworden. Dies spricht v.a. für gesteigerten Wettbewerb innerhalb der einzelnen Länder (Nachahmer der Vistaprint-Dienstleistungen?). Hier gibt es wahrscheinlich viele unterschiedliche Anbieter in den verschiedenen Bereichen (T-Shirts, Tassen, bedrucktes Papier, Homepageerstellung), die v.a. über den Preis um Kunden kämpfen. Ich denke da z.B. direkt an das Thema Fotos und damit verbundene Produkte wie Fotobücher, Kalender etc. In Deutschland gibt es zahlreiche Anbieter in diesem Bereich (Lidl Fotos, Aldi Fotos, DM Fotos, CEWE Fotos), die im Endeffekt alle das Gleiche anbieten. Wir haben z.B. zu Hause schon diverse Anbieter ausprobiert und auch wieder gewechselt wegen grottiger Software. An den Endprodukten könnte ich nicht sagen, das ist von dem und jenes ist von dem... Sie sind austauschbar. Im Laufe der Ausarbeitung dieses Beitrags habe ich zusätzlich gesehen, dass Vistaprint auch Fotobücher im Angebot hat... Die gesunkenen Margen könnten allerdings auch damit zusammen hängen, dass sie ihre Ausgaben für innovative Softwarelösungen ähnlich Amazon in die Höhe getrieben haben, ohne kurzfristig gesehen auf die Gewinne zu achten. Zusätzlich haben sie ihre Versandkosten gesenkt, was auch wieder schlecht für die Margen ist. Bin mal gespannt, wann es zur Kundenbindung Vistaprint Prime gibt :-)
  3. Sie waren eigentlich aktientechnisch noch nie so richtig preiswert. Auf die Endkurse ihrer Geschäftsjahre bezogen war das niedrigste KGV bei ihnen einmal knapp 25. Typisch Wachstumsunternehmen halt. Das bietet aber auch Chancen, denn die Kurse gehen oft zurück, wenn das Wachstum mal temporär ausbleibt (wie in Q1). Was ich in diesem Zusammenhang vom Verlust in Q1 zu halten habe, weiß ich nicht so genau, denn dieser soll ja v.a. auf Einmaleffekte zurückzuführen sein (kleine Überflutung in Hauptdruckerei und höhere Earn Out-Kosten durch Erfolg bei Wir-Machen-Druck). Aber wenn man mal die Zahlen vom letzten Geschäftsjahr hernimmt und den aktuellen Kurs von knapp 85 $ ansetzt, landet man bei einem KGV von etwa 50 und einem KFCF von 20. Das ist mir persönlich zu teuer - v.a. bei Wachstumsaussichten von vielleicht 'nur' 10-15 % im Jahr.
  4. Der Erfolg ihrer MCP-Plattform ist für mich nicht abschätzbar. Sie klingt auf dem Papier sehr interessant und beim übernommenen Unternehmen Wir-Machen-Druck scheint sie auf deren Art ja auch schon so funktionieren. Wieviel Geld sich damit verdienen lässt, kann ich aber nicht abschätzen.
  5. Die EBIT-Marge als relativ zuverlässiger Indikator für Geschäftsstabilität (siehe auch interessanten Blogbeitrag zu dem Thema) schwankt doch relativ stark bei ihnen.
  6. Das Ende von Q1 hat gezeigt, dass man auch gewisse naturbedingte Risiken hier nicht außer Acht lassen sollte, denn es gab wohl eine kleine Überflutung in deren Hauptdruckerei, welche für 2 Tage für Stillstand gesorgt hat. Lass da mal ne größere Überflutung oder sonst was sein.
  7. Wenn der Gründer und auch andere Board-Mitglieder Aktien verkaufen, sieht das erst mal nicht so toll aus. Der Gründer Robert Keane besitzt laut Gurufocus im Moment noch etwa 1.77 Mio. Aktien und hat bei um die 100 $ in diesem Jahr Aktien verkauft (für etwa 13 Mio. $). Allerdings sind die 1.77 Mio. Aktien sind immer noch 150 Mio. $ wert, so dass Herr Keane wohl durchaus an einem weiteren Erfolg des Unternehmens interessiert sein sollte.

Bewertung und Fazit:
Bei Cimpress tue ich mich mit einer Bewertung echt schwer. Es gibt hier nichts, was mich direkt auf eine Unterbewertung schließen lässt. Da ich mich in der Branche zu wenig auskenne, kann ich auch nicht einschätzen, wieviel Umsatz und Gewinn sich mit der Plattform, die sie entwickeln, zukünftig verdienen lässt. Es kann also durchaus sein, dass ich hier was Entscheidendes übersehe. Es geht mir da aber ähnlich, wie bei Amazon, bei denen ich zwar treuer Kunde bin, aber einfach schlecht einschätzen, was das Potential der einzelnen Bereiche ist. Bei Amazon bin ich der Meinung, dass das erfolgreiche AWS genau so wenig einen dreistelligen KGV rechtfertigt, wie bei Cimpress einen KGV von 50. Würden sie jetzt mit einem einstelligen KGV oder KFCF gehandelt, würde ich evtl. versuchen tiefer zu graben. Aber so würde ich zum aktuellen Zeitpunkt trotz guter Vision und guter angebotener Dienstleistung aktuellen Wachstum und der gestiegenen Verschuldung die Wahrscheinlichkeit eines Kursanstieg geringer einschätzen, als die für ein weiteres Absinken des Kurses. Das Unternehmen wandert erst mal auf die Watchlist. Kaufen werde ich in nächster Zeit aber wohl keine Aktien von Cimpress.

Disclaimer:
Dieser Artikel stellt nur eine Meinungsäußerung dar und ist nicht als Kauf- oder Verkaufsempfehlung zu verstehen. Ich bin kein professioneller Investor oder Anlageberater. Für die gemachten Angaben wird keine Gewähr übernommen, da Fehler bei der Datenübernahme oder aber auch Fehlinterpretationen erfolgt sein können. Bevor du also in das Wertpapier investierst, solltest du dich selbst auf den offiziellen Seiten des Unternehmens schlau machen.

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