Heute mal wieder ein Beitrag aus dem wahren Leben fernab der Börse und des Investierens: Meinen Gebrauchtwagenverkauf an Hassan. Mein langjähriges Fahrzeug hatte mich im Stich gelassen. Eine Reparatur machte aus wirtschaftlicher Sicht keinen Sinn, da selbst der KFZ-Sachverständige meines Vertrauens nicht zu 100 % sagen konnte, dass die angedachten Maßnahmen auch Wirkung zeigen würden. Somit war der Zeitpunkt gekommen, einen neuen Gebrauchtwagen zu erstehen und sich vom alten zu trennen. Beim Kauf sagte der Verkäufer dann, dass er mir den Alten quasi umsonst abnehmen würde. Aber Geld sollte ich dafür nicht mehr erwarten. Da allerdings eine gute Bekannte von mir vor kurzem für ihren alten Opel Agila noch 900 € bekommen hatte, war ich mehr als zuversichtlich, für meinen Audi A4 noch ein paar Euronen abstauben zu können. Da man ja nicht alle paar Monate mit dem Thema zu tun hat und ich meinen letzten Wagen (VW Polo mit Motorschaden) bei Ebay relativ problemlos versteigert hatte, wollte ich auch diesmal bei Ebay mein Glück versuchen. Nach ausgiebigen Studium des Internets zu Problemfällen bei Gebrauchtwagenversteigerungen entschloss ich mich dann nach Rücksprache mit dem schon erwähnten KFZ-Sachverständigen meines Vertrauens gegen Ebay und für eine Anzeige auf Mobile.de. Den vorher bereits für Ebay angedachten Verkaufstext möchte ich euch natürlich nicht vorenthalten:
Geplanter Auktionstext war Folgendes:
Mein lieber Audi A4: Über 9 Jahre sind wir zusammen durch dick und dünn gegangen. Damals warst du - ähnlich wie ich - noch jung, dein Kilometerstand im niedrigen 5-stelligen Bereich und deine 150 PS wussten bei einem Verbrauch von etwa 7 Liter Super zu gefallen. Deine Sitzheizung war genau das Richtige für einen Softi, wie mich. Du hast in den Folgejahren zahlreiche Städte und Länder mit mir besucht, einige teure Fotos verursacht, du hast mich immer zügig und zuverläsig an die Arbeit gefahren, du hast mich zu den ersten Dates mit meiner Frau gebracht und du hast geholfen, meine Mädels nach der Geburt schnell und sicher nach Hause zu bringen. Du warst ein toller Begleiter.
Allerdings finde ich es schade, dass du den letzten Ölwechsel, das Anbringen eines neuen Auspuffs, eines neuen Ölmessstabes und neuer Zündkerzen nicht mit dem erhofften Erlöschen der Motorkontrolleuchte würdigen konntest. Aber ich bin mir sicher, dass dir dein neuer Begleiter, dem hoffentlich bewusst ist, dass dein Ruckeln keine neuartige Massagefunktion ist, dich wieder in Ordnung bringen kann. Von daher ist es an der Zeit, Abschied zu nehmen und dich einem würdigen Abnehmer - deinem dann 3. Besitzer - zu überlassen.
Der würdige Abnehmer erwirbt einen:
- Audi A4 2.0 FSI (8E), Baujahr 07/2004 mit 150 PS, manueller 5-Gang-Schaltung, Benziner, rund 255.000 km, TÜV noch bis 08/2017
- Außenfarbe grau: Rostschäden an Dach und Türen wurden im Rahmen der Garantie von Audi vor etwa 2 Jahren ausgebessert.
- 16 Zoll Stahlfelgen mit Winterrädern - Original-Audi-Alus mit Sommerreifen kommen dazu
- Extras: CD-Radio, Klimaautomatik, Sitzheizung, Navigationssystem, Tempomat
Wichtiger Hinweis: Dies ist ein Verkauf eines fast 13 Jahre alten GEBRAUCHTWAGENS von PRIVAT. Von daher wird KEINE Gewährleistung übernommen und der Verkauf des Kraftfahrzeuges erfolgt unter Ausschluss der Sachmängelhaftung. Es gilt: Gekauft wie gesehen. Sie haben die Möglichkeit, sich das Fahrzeug bei Interesse vor dem Steigern anzusehen. Da er abgemeldet ist, ist keine Probefahrt mehr möglich.
Derjenige, der das Fahrzeug ersteigert, hat ihn innerhalb einer Woche abzuholen. Der Preis, der den Zuschlag erhält, ist gültig. Es gibt keine Nachverhandlung! Drohungen bei Abholung werden nicht akzeptiert. Die 110 ist in der Kurzwahl. Bitte bringen Sie bei Abholung ihren Ausweis mit, damit ein rechtsgültiger Kaufvertrag geschlossen werden kann.
Tag 1 - Anzeige und Verkauf:
Gesagt, getan. Also machten wir uns gemeinsam daran, eine Anzeige für Mobile.de zu erfassen. Die Daten des Fahrzeugs waren schnell eingetragen. Wir stellten es als nicht fahrbereiten Gebrauchtwagen ein. Passende Fotos hatte ich nach einem Besuch in der Waschanlage und einer Innenraumreinigung vorher schon angefertigt . Schon erstaunlich, was da so alles auftaucht, wenn man jahrelang mit Kindern im Auto umher fährt...
Nach der 'umsonst würde ich ihn nehmen'-Ansage des Verkäufers hätte ich bei Ebay nach Abzug der fälligen Gebühren so mit 800-1000 € gerechnet. Von daher war ich relativ erstaunt, dass mein Bekannter als Preis 2.800 € vorschlug. Gleichzeitig prophezeite er mir, dass sich innerhalb kürzester Zeit zahllose Leute melden würden. Wir klickten also nach nochmaliger Kontrolle der Daten auf 'Anzeige veröffentlichen'. In der Anzeigenübersicht konnte man dann durch Betätigen von F5/Aktualisieren im Browser sehen, dass bereits nach wenigen Sekunden mehr als 20 Leute die Anzeige gesichtet hatten. Es dauerte dann noch nicht einmal 1 Minute, bis das Telefo klingelte.
Zu unserem Erstaunen war jemand am Telefon, der der deutschen Sprache in akzentfreier Sprachweise mächtig war und das Gespräch nicht mit 'Isch gebb dir 1000 bar auf Kralle' eröffnete. Nach einigem hin- und her einigten wir uns auf einen Preis von 2.300 €. Hassan - so hieß der Kollege aus Hannover - wollte das Auto dann am nächsten Tag von einem Fahrer abholen lassen. Auch der Hinweis, dass es ein nicht wirklich fahrbereites Auto sei und dass wir es als relativ optimistisch ansahen, die ca. 600 km nach Hannover damit zurücklegen zu wollen, brachte ihn nicht von seinem Vorhaben ab. OK, dachten wir uns. Soll er machen. Die Daten der Anzeige kopierte er in ein eigenes Formular und schickte es uns per Email. Dann bat er uns, die Anzeige offline zu schalten und niemanden sonst zu sprechen. Das machte soweit Sinn für uns und somit deaktivierten wir die Anzeige. Bis dahin (ca. 5 Minuten später) hatte die Anzeige mehr als 70 Aufrufer und auf dem Telefon waren mehr als 10 weitere Anrufe. Zunächst einmal freuten wir uns, dass wir so schnell mit einem Interessenten einig geworden waren. Gleichzeitig war uns allerdings bewusst, dass es damit wohl noch nicht getan war. Und wir sollten Recht behalten.
Tag2 - Die Abholung:
Mein Bekannter holte den Fahrer (deutscher Student?) am Bahnhof ab. Nach ein wenig Smalltalk inspizierte er dann das Fahrzeug (Lackmessung, kurze Testfahrt) und stellte fest, dass das Fahrzeug genau dem entsprach, was wir auch in der Anzeige geschrieben hatten. Dann schaute er sich die Unterlagen an (Fahrzeugbrief, Fahrzeugschein, TÜV-Gutachten) und plötzlich fingen seine Augen an zu leuchten. Das Handy wurde gezückt und Hassan angerufen. Uns war doch tatsächlich ein Fehler unterlaufen: wir hatten 3 Vorbesitzer angegeben. Tatsächlich waren es allerdings nur 2 Vorbesitzer (inkl. mir). Eigentlich wertsteigernd. Hassan sah das allerdings nicht so und tat uns das in aggressiver und beleidigender Art und Weise kund. Zusätzlich war die erste Zulassung eine Tageszulassung beim Autohaus. Das war dann Hassans Kritikpunkt Nummer 2, denn wir hatten bei gewerblicher Nutzung Nein angegeben. Jetzt mussten wir erfahren, dass er ein Jurastudium angefangen hatte (wers glaubt...) und er fing an diverse BGB-Paragraphen herunterzureiten. Nach rund 3 Minuten eines ununterbrechbaren lautstarken Monologs seinerseits war er jetzt bereit, auf eine Klage gegen uns zu verzichten und das Fahrzeug für 1400 € abzunehmen. Durch unsere Falschangaben bekäme er ja jetzt erhebliche Probleme mit dem Zoll und könnte das Fahrzeug nicht wie geplant verkaufen. Wir unterbrachen das Gespräch erst einmal kurz, da mein Bekannter sich unsicher war, wie die rechtliche Situation im Bezug auf die gewerbliche Nutzung bei Tageszulassung aussah.
Das Gute in der Situation: er hatte Kontakt zu einem sehr guten Verkehrsanwalt und konnte auch kurzfristig zu diesem durchgestellt werden. Nach Schilderung der Gesamtsituation wurde dann klar, dass Hassan eine Masche fuhr, um den Preis zu drücken. Also genau so, wie wir es erwartet hatten. Etwas klüger bezüglich der rechtlichen Gegebenheiten konnten wir den Jurastudiumabbrecher anschließend auf Stand bringen und boten ihm eine Preisreduktion um 200 € an, was wir eigentlich nicht hätten machen müssen. Aber wir sind ja keine Unmenschen und nach einigen weiteren Schimpftiraden gab er dem Fahrer - der mittlerweile durchgefroren war (Jeans mit Schlitzen drin sind bei -8° nach spätenstens 2 Minuten suboptimal) - das OK. Im Endeffekt bekamen wir unser Geld (mehr als doppelt so viel, wie initial erwartet) und er das Auto. Weitere 5 Minuten später war er auf dem Weg nach Hannover. Rund 30 Minuten später wurde in den Verkehrsnachrichten etwas von einem Fahrzeugbrand auf der A8 gesendet. Ob es der Fahrer war, konnten wir bis heute nicht in Erfahrung bringen :-)
Was lernen wir daraus:
- Autos wenn möglich nicht bei Ebay verkaufen. Da kann man noch weniger steuern, mit wem man es am Ende zu tun hat. Zusätzlich kann man sich die Gebühren sparen.
- Ein Grundkurs im Sinne von 'Wie bleibe ich ruhig, wenn ich auf übelste Weise beschimpft werde' macht manchmal Sinn - sowohl im Arbeits- als auch im Privatleben.
- Gebrauchtwagen sind meistens mehr wert, als man als Laie erwartet. Umsonst muss man eigentlich kein Fahrzeug abgeben. Nachverhandlungen sind gang und gäbe - egal, was vorher ausgemacht und auch schriftlich fixiert wurde.
- Alle Angaben in der Anzeige sollten der Wahrheit entsprechen. Selbst Dinge, die für den Käufer vorteilhaft sind, werden am Ende als nachteilig dargestellt.
- Man sollte niemals allein verkaufen. Jemanden, der sich mit KFZ auskennt, hat eigentlich jeder in der Bekanntschaft. Dieser sollte wenn möglich beim Abholen auch zugegen sein. Wäre ich allein gewesen, hätte mich Hassan voll abgezogen.
- Man sollte sich vorher schon einmal die Nummer eines auf Verkehrsrecht spezialisierten Anwalts raussuchen, den man bei Bedarf schnell anrufen kann.
- Frechheit siegt im Gebrauchtwagengeschäft: Im Endeffekt hat Hassan durch 30 Minuten Dauerfeuer unter der Gürtellinie nochmal 200 € gut gemacht. Der erste Eindruck täuscht manchmal doch. Ich werde mit Hassan aus Hannover wohl demnächst erst einmal keine Geschäfte mehr machen.
Wow.. Das war ein Abenteuer für sich. Klingt alles sehr sonderbar. Ich habe letztens Kleidung verschenkt. Ein ausländisches Mädchen in meinem Alter holte die Sachen "alleine" ab. Ich sah dann aus dem Fenster, wie sie danach zu einem Mann ging, dem sie jedes Kleidungsstück zeigte.
AntwortenLöschenGlückwunsch, dass du letztlich das Auto gut los bekommen hast. Wobei ich mich frage, was der Typ gemacht hätte, wenn du ihn ohne Auto weggeschickt hättest.