Dienstag, 7. November 2017

Perion Network - Israelisches 'Ad Tech Solutions'-Unternehmen als Turnaround-Kandidat

Perion Network - Israelisches 'Ad Tech Solutions'-Unternehmen als Turnaround-Kandidat

Schon längere Zeit (genauer seit 2015) habe ich das israelische Technologieunternehmen Perion Network (PERI) auf meiner Watchlist stehen und wollte einmal kurz einen Blick darauf werfen. Es war mir jüngst wieder ins Auge gesprungen, da ich mir einerseits zuletzt Unternehmen aus der Netzwerkbranche angeschaut hatte und andererseits, da es extrem viele Minus-Zeichen in der Kennzahlen-Tabelle hatte in Verbindung mit einem positiven niedrigen einstelligen Kurs-Free-Casfhlow-Verhältnis. Und niedrige Kurs-Free-Cashflow-Verhältnisse haben im Allgemeinen immer meine Aufmerksamkeit.

Zum Unternehmen:
Das Unternehmen ist - anders als sein Name vermuten lässt - nicht wirklich in der gleichen Branche wie z.B. Cisco oder Juniper Networks unterwegs, sondern im Bereich Internet-Such- und Werbelösungen (Ad Tech Solutions). Perion war früher als IncrediMail bekannt und unter diesem Namen auch seit 2006 börsennotiert. Ab 1999 boten sie Email-Lösungen an und erweiterten ihr Geschäft durch zahlreiche Firmenzukäufe hin zu dem, was sie jetzt tun: Online-Werbung möglichst effektiv an den Mann oder die Frau zu bringen. Seit Ende 2011 sind sie als Perion Network unterwegs, wobei Perion das hebäische Wort für Produktivität ist.

Aktuell haben sie hauptsächlich folgende Sachen im Angebot:

  • Undertone: Erstellung hochwertiger Werbeanzeigen für verschiedenste Bildschirmformate (Smartphone, Tablet, PC)
  • CodeFuel: V.a. geht es hier um die Integration von Suchlösungen in eigene Applikationen. D.h. im Endeffekt integriert man hier eine Suche in seine eigene Applikation und wenn jemand diese Suche nutzt, wird er zu Bing (die Microsoft-Suchmaschine) weitergeleitet. Dort werden dann - wie bei Google auch - Werbeanzeigen eingeblendet, die zu den Suchbegriffen passen. Klickt dann ein Anwender auf eine solche Suche, wird für Bing Umsatz generiert (Kosten/Click) und man selbst als Applikationsentwickler bekommt dann von Bing genau so eine Provision, wie CodeFuel/Perion.
  • MakeMeReach: Lösung zur Kampagnenerstellung und -optimierung für diverse Social Media Kanäle wie Facebook, Twitter oder Snapchat.
  • Smilebox: Ermöglicht u.a. einfache Erstellung von Grußkarten, Einladungen, Mini-Präsentationen etc.
  • IncrediMail: Ermöglicht die Erstellung schicker Mails. Sie bieten hier diverse Hintergründe, Emoticons und sonstige animierte Grafiken.

Smilebox und IncrediMail sind ganz nett, reißen mich aber nicht wirklich vom Hocker. Diese beiden Angebote wirken ein wenig wie Überbleibsel aus der 'alten' Internetwelt, als man Leute noch mit bunten EMails hinter dem Ofen hervorlocken konnte. Die anderen 3 Angebote sind da schon interessanter, wobei es hier zahlreiche Wettbewerber gibt und die Werbebranche ja notorisch unterbudgetiert ist. Ich würde da vom Angebot her erst mal nix sehen, was andere nicht auch könnten. HTML5, CSS3 und JavaScript können heute viele Leute und Unternehmen und ich kenne da persönlich auch einige, die extrem was drauf haben, sich aber gleichzeitig leider unter Wert verkaufen.

Das Wachstum wurde seit geraumer Zeit anorganisch durchgeführt - sprich über Unternehmenskäufe. 2011 wurde Smilebox für 32 Mio. Dollar gekauft, 2012 SweetPacks für 41 Mio., 2014 Conduit’s ClientConnect-Geschäft für 600 Mio., 2014 GrowMobile für $42 Mio., 2015 MakeMeReach (Betrag konnte ich nicht herausfinden) und auch in 2015 Undertone für 180 Mio. Die momentane Marktkapitalisierung liegt bei rund 82 Mio. und der Enterprise Value bei etwa 124 Mio. Da scheint wohl einiges schief gelaufen zu sein.

Chartverlauf:

Jupp. Da ist wohl tatsächlich einiges schief gelaufen. Bei diesem Kursverlauf und den genannten Kaufpreisen für die erworbenen Unternehmungen kann man eindeutig erkennen, dass das Geld nicht weg ist. Es hat nur jemand Anderer, als die Perion-Aktionäre.

Zugehörige Geschäftszahlen:

Die Geschäftszahlen passen zum Chartverlauf. Besonders ins Auge springt hierbei die Anzahl an Aktien, die jetzt knapp 8 mal so hoch liegt, wie vor 10 Jahren. Ein Großteil der Unternehmensübernahmen wurde also über Kapitalerhöhungen/Ausgabe neuer Aktien finanziert. Zusätzlich ist der Goodwill-Anteil aufgrund der Unternehmensübernahmen im Vergleich zur Marktkapitalisierung auch relativ hoch. Im ersten Halbjahr 2017 wurde eine Abschreibung für den Untertone-Goodwill vorgenommen, wodurch auch der hohe Verlust in 2017 erklärbar ist. Der Cashflow ist durchgängig positiv und rechnet man den Free Cashflow aus dem ersten Halbjahr einmal aufs Gesamtjahr hoch, hätte man ein Kurs-FreeCashflow-Verhältnis von lediglich rund 4 bzw. ein EV-FreeCashflow-Verhältnis von etwa 6. Das wäre auf dieser Basis also durchaus günstig. Auch bezogen auf den Umsatz bzw. den Buchwert ist das Unternehmen aktuell historisch gesehen eher als unterbewertet anzusehen.

Was gefällt mir nicht an Perion:

  1. Umsatzseitig schwanken die Zahlen doch relativ stark. Die Umsätze im Such-Bereich sind leicht rückläufig. Im Undertone-Bereich sollen sie demnächst wieder wachsen.
  2. Es gibt eine relativ starke Abhängigkeit von einem Kunden, der für 50 % der Umsätze zuständig ist. Dieser ist Microsoft Bing. Die Zusammenarbeit mit Bing wurde kürzlich allerdings um 3 Jahre verlängert.
  3. Ein weiterhin sehr hoher Goodwill-Anteil könnte zu weiteren Abschreibungen in Zukunft führen.
  4. Die Kapitalallokation war in der Vergangenheit nicht wirklich von Erfolg gekrönt. Aufwand (v.a. finanziell) und Nutzen (sprich zählbare Erträge) stehen in keinem guten Verhältnis. Hier wurden allerdings schon Konsequenzen gezogen, da seit Anfang des Jahres Doron Gerstel als neuer CEO das Sagen hat.
  5. Die Fremdkapitalfinanzierung ist doch schon relativ teuer: bei Kredite LIBOR zzgl. 3,5-5 % bzw. 5-6 % auf die Wandelanleihe.

Was gefällt mir an Perion:

  1. Auch wenn in Sachen Umsatz und Gewinne die Zahlen stark schwanken, waren zumindest die Cashflows immer positiv.
  2. Der neue CEO Doron Gerstel hat mit der Abschreibung - welche sicherlich nicht die letzte war - gleich mal dafür gesorgt, dass er in den kommenden Jahren besser dastehen kann. Das Gute an hohen Verlusten ist, dass selbst kleine Gewinne dagegen in den Folgejahren gut aussehen.
  3. Gerstel hat eine gewisse Branchenerfahrung vorzuweisen. U.a. wurde das von ihm als CEO geleitete Unternehmen Nolio 2013 an CA Technologies verkauft und Panaya, bei denen er auch CEO war, wurde 2015 von Infosys geschluckt. Mit Turnarounds und Übernahmen scheint er also durchaus bewandert zu sein. Die von ihm bisher kommunizierten Schritte (engere Verzahnung der Teilbereiche um Kunden auch Komplettangebote bieten zu können) lesen sich auf jeden Fall schon mal ganz gut.
  4. Die Verschuldung ist rückläufig. Es sind aktuell rund 64 Mio. an fremden Mitteln ausstehend. Ein Großteil steht 'erst' 2019 zur Rückzahlung/Ablösung an und sollte eigentlich aus verfügbaren Mitteln und generierten Cashflows bedienbar sein, wenn nichts dazwischen kommt.
  5. Es gibt zwar 13,4 Mio. ausstehende Optionen. Diese sind allerdings aus aktueller Sicht als eher wertlos anzusehen, da sie einen durchschnittlichen Ausübungspreis von 2,38 $ haben. Hier fällt allerdings auf, dass in 2017 9,2 Mio. neue Optionen zu 1,75 $ ausgegeben wurden. Dieser Ausübungspreis liegt zwar knapp 60 % über dem aktuellen Kurs, stellt aber auch eine gewisse Motivation für das aktuelle Führungsteam dar, das Ruder erfolgreich rumzureißen.
  6. Das Kurs-Umsatz-Verhältnis ist mit 0,3 als relativ niedrig anzusehen - auch mit Branchenmaßstäben. Das hochgerechnete Kurs-FreeCashflow-Verhältnis von 4 ist sehr niedrig und das Kurs-Buchwert-Verhältnis von 0,5 würde zumindest dafür sorgen, dass ein übernehmendes Unternehmen keinen weiteren Goodwill anhäuft, sondern nur den aus der Perion-Bilanz übernimmt. Andere Unternehmen aus der Werbebranche wie z.B. Omnicom könnten an Perion interessiert sein. Es gibt echt schlimmeres, als 300 Mio. Umsatz mit positiven Cashflows und überschaubarer Verschuldung für lediglich rund 82 Mio. am Markt angeboten zu bekommen.
  7. Aus den Unternehmensteilbereichen gab es zuletzt einige positive Meldungen. U.a. wurden sowohl MakeMeReach als auch Undertone offizielle Snapchat-Partnerunternehmen und MakeMeReach hat 2017 einen Preis gewonnen für eine Disney-Instagram-Kampagne.
  8. Durch die hohen Verluste im aktuellen Jahr und in 2015 haben sich einige Verlustvorträge angehäuft, die in Zukunft steueroptimierend eingesetzt werden könnten.

Bewertung:
Für Perion sehe ich 3 Möglichkeiten der Bewertung: entweder es läuft richtig schlecht weiter (z.B. mit 10 % Umsatzverlust p.a. und sehr niedriger FCF-Marge von 2 %), es läuft so bescheiden weiter, wie bisher (u.a. 0 % Umsatzwachstum und FCF-Marge von 8 %) oder aber der Turnaround gelingt (u.a. 5 % Umsatzwachstum und 10 % FCF-Marge). Für die 3 Szenarien habe ich jetzt einmal eine Wahrscheinlichkeit von 50/30/20 % angenommen. Auf Basis der erwirtschafteten Cashflows würde ich zu folgendem Bewertungsergebnis kommen:

Der aktuelle Kurs liegt bei etwas über einem Dollar. Mit dem Bewertungsergebnis hätte man trotz relativ pessimistischer Annahmen ein Potential von etwa 30-40 %. Eine Sicherheitsmarge wäre also vorhanden.

Fazit:
Perion hat einige Argumente, die dafür sprechen und einige, die dagegen sprechen. Ein Investment in dieses Unternehmen ist mit hohen Risiken verbunden, auch dadurch, dass es eine so kleine Marktkapitalisierung besitzt und nur überschaubare Handelsaktivitäten stattfinden (v.a. in Deutschland). Trotzdem habe ich mir einmal eine kleine Position ins Depot gelegt, v.a. um das Unternehmen nicht aus den Augen zu verlieren. Je nach Gelingen der Turnaroundaktivitäten oder aber einer höheren Insiderbeteiligung, die nicht als Optionsausübung stammt, würde ich dann auch noch aufstocken. Investoren, die aus Risikogesichtspunkten dankend abwinken, machen hier aktuell wahrscheinlich auch nichts falsch.

Wichtiger Hinweis:
Die Zahlen wurden von mir selbst zusammengetragen und können Fehler enthalten (Interpretationsfehler, Übersetzungsfehler, Berechnungsfehler etc.). Für die Richtigkeit wird daher keine Gewähr übernommen. Ich bin kein professioneller Investor oder Anlageberater! Dieser Artikel stellt nur eine Meinungsäußerung dar, aber keine Aufforderung zum Handeln in irgendeiner Art und Weise. Sollte sich jemand entschließen, in das genannte Wertpapier zu investieren, so sollte derjenige bzw. diejenige selbst entsprechende Nachforschungen und Überlegungen anstellen. PLEASE DO YOUR OWN RESEARCH!

4 Kommentare:

  1. Sehr interessante Vorstellung, vielen dank! Ich finde dass Geschäftsmodell nicht besonders interessant (wie du schon selbst meintest ein Teil altbacken, ein Teil nichts besonderes bzw. Apps als sehr kurzlebige und schnell stock ändernder Bereich schwierig) aber wenn sie einen ihrer Bereiche zum wachsen bringen oder einen neuen hervorbringen und den Rest verkaufen ist die aktuelle Bewertung günstig. Ich werde mir dass mal merken und hoffentlich in einem halben Jahr nochmal dran denken

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Deine Strategie klingt im Bezug auf PERI auch vernünftig :-)

      Löschen
  2. heute gab es die Quartalszahlen
    https://finance.yahoo.com/news/perion-reports-third-quarter-2017-120000621.html

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Danke für den Hinweis. Hatte ich so gar nicht direkt auf dem Schirm. Lesen sich aber ganz gut. Der operative Cashflow für die ersten 9 Monate lag bei fast 29 Mio. Und auch die Aussagen vom Conference Call (hier) klingen jetzt auch nicht so pessimistisch...

      Löschen