Sonntag, 6. November 2022

EntrepreNERD - Zum Millionär mit Open Source Software (iText)

EntrepreNERD - Zum Millionär mit Open Source Software (iText)

In der Vergangenheit hatte ich doch immer einmal wieder mit dem Thema PDF-Dokument-Generierung zu tun und eine der wenigen Open Source-Bibliotheken in dem Bereich ist iText. Umso erstaunter war ich, als mir bei Amazon das Buch 'EntrepreNERD' des belgischen iText-Entwicklers Bruno Lowagie vorgeschlagen wurde. Es trägt den Untertitel 'Building a Multi-Million-Dollar Business with Open Source Software' und deckt damit einen Themenbereich ab, mit dem ich mich - obwohl ich Softwareentwickler bin - vorher noch nie wirklich auseinandergesetzt hatte, da es eigentlich eine gewisse Gegensätzlichkeit hat: Geld verdienen mit Open Source Software.

Lowagie beschreibt auf knapp 370 Seiten seinen persönlichen Werdegang (familiäres Umfeld, erster Kontakt mit Computern, Ausbildung, Schwierigkeiten im Arbeitsleben), sowie Aufbau und Verkauf seiner Unternehmungen rund um iText. Er war ein intelligentes Kind, das recht früh mit Computern in Berührung kam, aber dann irgendwie etwas falsches studierte (civil engineering) und anschließend trotz erfolgreichen Abschlusses Startprobleme im Berufsleben hatte. Das Beste an seinem Studium war wohl, dass er seine Frau Ingeborg kennenlernte. Nach einigen Jobwechseln innerhalb recht kurzer Zeit landete er dann an der Universität von Gent, wo er dann 1998 u.a. ein Programm zur Erstellung von PDF-Dokumenten programmierte. Die Firma Adobe hatte das Portable Document Format Anfang der 90er Jahre entwickelt und das Programm zur Darstellung der Dokumente (Adobe Acrobat Reader) kostenlos zur Verfügung gestellt. Programme zur Erstellung von PDFs waren allerdings kostenpflichtig. Da die PDF-Spezifikation frei zugänglich gemacht wurde, stand auch Entwicklern außerhalb von Adobe die Möglichkeit der Programmierung passender Werkzeuge frei. In der PDF-Spezifikation war beschrieben, wie ein Dokument intern aufgebaut sein muss und welche Möglichkeiten dem Ersteller zur Verfügung stehen (z.B. Formatierung, Querverweise etc.). Hier wäre einmal ein Link zu den verschiedenen PDF-Spezifikationen, die im Laufe der Zeit verfügbar gemacht wurden.

Auf jeden Fall erstellte Lowagie zunächst ein Programm namens rugPdf, welches dann in der Universität eingesetzt wurde. Im Laufe der Zeit stellte er allerdings fest, dass er ein paar Designentscheidungen getroffen hatte, welche es anderen Entwicklern schwer machte, die Bibliothek zu nutzen, ohne selbst tiefere Kenntnisse der PDF-Spezifikation zu haben. Daraufhin programmierte er das Ganze neu und stellte es als iText unter der LGPL (Lesser General Public License) zur Verfügung. Gleichzeitig schrieb er als Dokumentation noch das Buch 'iText in Action'. Obwohl die Bibliothek sehr gut ankam und auch viel benutzt wurde, musste er frustriert feststellen, dass die Nutzer nur in geringem Maße Interesse hatte, für das Programm auch etwas zu zahlen. Durch die verwendete Lizenz mussten sie das auch nicht wirklich, da die Verwendung von iText unter LGPL hieß, dass man es im Normalfall kostenfrei nutzen konnte, ohne den eigenen Quellcode offen legen zu müssen. Selbst bei Google wurde iText in verschiedenen ihrer Dienste genutzt, aber von einer Kontaktperson bekam er nur zu hören: 'Google doesn't buy software. Google buys companies. The only way to make money from Google is to sell them your company.'

Daraufhin stellte er die Lizenz mit iText-Version 5 von LGPL zu AGPL (Affero General Public License) um. Dies bedeutete für Nutzer, dass sie iText auf Servern weiterhin kostenfrei nutzen konnten, aber dass - sofern damit etwas für externe Nutzer zur Verfügung gestellt wird - AGPL greift und die Software, welche iText verwendet , auch unter AGPL zur Verfügung gestellt werden muss. D.h. da durch iText PDFs generiert und diese den Nutzern von Diensten zur Verfügung gestellt werden (z.B. wenn Formulare oder Rechnungen generiert werden) müsste der Quellcode der Anwendungen, welche dies tun (also z.B. Webanwendungen von Banken, Shops oder Telekommunikationsdienstleistern), offengelegt werden. Da die meisten Nutzer daran allerdings eher nicht interessiert waren, konnten sie - wenn sie iText weiterhin nutzen wollten, spezielle Lizenzen von iText kaufen, mit denen sie von der Offenlegung befreit wurden. Somit wurde aus Lowagies Unternehmen tatsächlich ein profitables Unternehmen, welches in 2011 die Millionengrenze beim Umsatz überschritt. In 2012 waren sie dann bei 3.1 Mio. $ Umsatz und einem EBITDA von 1.4 Mio $.

In den Folgejahren wurde das Geschäft weiter ausgebaut durch Unterstützung neuer PDF-Standards (bei denen sich Lowagie einbringen durfte), den Ausbau entsprechender Vertriebsstrukturen und auch der Expansion nach Asien. Gleichzeitig machte sich Lowagie auch Gedanken über einen Verkauf seines Unternehmens. Dieser erfolgte dann größtenteils in 2015 an das koreanische Unternehmen Hancom für etwa 29 Mio. $ (siehe hier), wobei Lowagie dem Unternehmen als technischer Leiter erhalten blieb. Gleichzeitig gehörten ihm am Ende noch etwas über 23 % des Folgeunternehmens. Wie das aber meist so ist, kollidierten die Ansichten von Lowagie und den neuen Eigentümern bzw. den folgenden CEOs in vielen Dingen, was dann im Endeffekt vor Gericht endete. Dort einigte man sich schließlich, was dann dazu führte, dass Lowagie seine restlichen Anteile zu einem guten Preis verkaufen konnte und das Unternehmen in endgültig 2020 verließ.

Fazit:

Nach der Lektüre muss ich sagen, dass es ein wirklich sehr empfehlenswertes Buch ist. Lowagie geht auf verschiedenste Aspekte der Softwareentwicklung ein (z.B. Lizenzen), nennt konkrete Zahlen und beschreibt auch sehr ausführlich die Dinge, mit denen sich ein Unternehmer abseits der Technik auseinandersetzen muss. Man kann EntrepreNERD tatsächlich als Kochbuch zum Geldverdienen mit Open Source Software ansehen, welches Pflichtlektüre im Informatik- oder auch Wirtschaftsinformatikstudium werden sollte. Ich könnte mir vorstellen, dass ich - wenn ich es vor 20 Jahren gelesen hätte - heute weiter wäre. Aber was nicht ist, kann ja noch werden.

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