Freitag, 9. April 2021

Plus500 - Das etwas andere Glücksspielunternehmen

Plus500 - Das etwas andere Glücksspielunternehmen

Wann immer ich aktuell ein Free-2-Play-Spiel spiele oder aber Videos auf Youtube schaue, werden mir - da Google offensichtlich weiß, dass ich mich für das Thema Finanzen interessieren - Werbeanzeigen für diverse fesche Tradingsapps angezeigt. Die Robinhoods und Trading Republics dieser Welt vermitteln ja den Eindruck, dass es heutzutage einfacher denn je ist, schnell reich zu werden. Zumindest in der Theorie. Da dachte ich mir so: schauen wir doch einfach mal, ob es Unternehmen in dem Bereich gibt, in die man investieren kann, um auch ein Scheibchen abzubekommen von der neuen Goldgräberstimmung der Börse. Nachdem ich den Zug bei flatexdegiro irgendwie verpasst hatte, deren Kunde ich ja seit Jahren bin, bin ich erstmal wieder in Israel fündig geworden.

Zum Unternehmen:

Das Unternehmen Plus500 ist im Bereich CFD-Trading unterwegs. CFDs - auch Differenzkontrakte genannt - sind ja hochspekulative Finanzprodukte, von denen ich mich bisher ferngehalten habe und - was Kauf/Verkauf angeht - auch in Zukunft fernhalten werden (ich sage nur Totalverlust und (für Privatanleger wohl nur noch bedingt) Nachschusspflicht). Der Wikipedia-Eintrag zu CFDs zeigt die Funktionsweise auf und hat auch ein paar Aussagen drin, mit denen ich CFDs beschreiben würde. Von daher würde ich Plus500 im Bereich Glücksspiele ansiedeln, wobei das Unternehmen die Stellung der Bank einnimmt. Nicht umsonst sind auf ihrer Webseite überall Hinweistexte wie diese zu finden: "CFD sind komplexe Instrumente und gehen wegen der Hebelwirkung mit dem hohen Risiko einher, schnell Geld zu verlieren. 76,4% der Kleinanlegerkonten verlieren Geld beim CFD-Handel mit diesem Anbieter. Sie sollten überlegen, ob Sie verstehen, wie CFD funktionieren und ob Sie es sich leisten können, das hohe Risiko einzugehen, Ihr Geld zu verlieren."

Plus500 wurde 2008 von ein paar Isrealis gegründet, die gemeinsam am Technion – Israel Institute of Technology studiert hatten. Sie sind seit 2013 börsennotiert, wobei sie damals im UK an die Börse gingen. Der Handel ist auch an deutschen Börsen möglich, wobei es dort nur recht dünne Umsätze gibt. Die Geschäftsberichte enthalten die Zahlen größtenteils in US-Dollar, so dass man zur Bestimmung der Kennzahlen in den meisten Fällen ein wenig umherrechnen muss.

Sie sind als Sponsor diverser Sportmannschaften tätig. Unter anderem auch als Trikotsponsor von Atletico Madrid, die gerade (mit knappem Vorsprung vor Barcelona) Tabellenführer in der spanische Fußballliga sind.

Ihr Geschäft besteht hauptsächlich darin, ihren Kunden Investmententscheidungen - oder besser Wetten - auf diverse Vehikel (z.B. Einzelunternehmen, Währungen, Indizes) einfach per App zu ermöglichen und diese abzuwickeln. Wenn ich es richtig verstanden habe, suchen sie entweder passende Partner (also Kunden, die auf gegenteilige Entwicklungen wetten) oder aber nehmen selbst die Position der Gegenseite an. Dies tun sie aber wohl nur, wenn ihnen ihre Daten und Modelle vorhersagen, dass sie diese Wette mit hoher Wahrscheinlichkeit gewinnen werden.

In den vergangenen Jahren sind sie damit wohl recht gut gefahren. Allerdings besteht doch immer wieder die Gefahr, dass die Finanzbehörden der Länder, in denen sie aktiv sind, die Spielregeln ändern und ihnen somit - als mehr oder weniger Ein-Produkt-Unternehmen - Teile der Geschäftsgrundlage entziehen. Dies sollte man auf jeden Fall immer im Hinterkopf behalten, wenn man sich entschließen sollte, hier Anteilseigner zu werden.

Hier mal der Chartverlauf:

Investoren der ersten Stunde haben keinen Grund, sich zu beschweren und können sich kurstechnisch über einen 12-bagger freuen - exklusive der gezahlten Dividenden. Als im UK gelistetes Unternehmen gibt es mehrere Dividendentermine jedes Jahr, wobei - wenn ich es richtig verstanden habe - durch die Behandlung als israelisches IT-Unternehmen jeweils nicht die volle Dividende bei den Investoren ankommt. In 2015 gab es mal einen starken Kursrückgang, nachdem sie für einige Zeit aufgrund von Geldwäschevorwürfen ihre Operationen stoppen mussten. Und auch zwischen 2018 und 2019 verloren sie zwischenzeitlich mal knapp 70 % des Wertes, was v.a. an geänderten CFD-Spielregeln lag, sowie ein paar Gerichtsprozessen von Kunden, welche behaupteten, dass Plus500 ihre Orders wohl nicht so wie gewünscht/erwartet durchgeführt hatte.

Geschäftszahlen 2012 (Pre-IPO)-2020:

Eine solch durchgängig hohe Profitabilität und Cashgenerierung habe ich bisher selten gesehen. Bis 2018 gabe es eigentlich nur starkes Wachstum, zu dem sie 2020 auch wieder zurückgegekehrt sind. Von der Bewertung her fällt mir eigentlich nur 'zu schön, um wahr zu sein' ein. Es wurden durchgängig hohe Dividenden ausgezahlt und erst in den letzten Jahren sind sie auch zum Rückkauf eigener Aktien übergegangen, wobei sie dabei relativ transparent vorgehen (siehe Latest News auf deren IR-Seite). Ihr Business ist wenig kapitalintensiv. Den größten Teil ihrer Ausgaben haben sie für Marketing (Sponsoring) und Personal. Hochgerechnet kostet es sie immer knapp 750 $, um einen Kunden an ihre Plattform zu binden, welcher dann rund 2000 $ Umsatz bringt. Solange also Goldgräberstimung herrscht oder auch FOMO (Fear Of Missing Out) beim Reich-Werden, sollte es an Neukunden nicht mangeln.

In den kommenden Jahren wollen sie einiges an Geld in die Hand nehmen, um sich breiter aufzustellen und nicht nur vom CFD-Trading abhängig zu sein.

Versuch einer Bewertung:

Wenn man sich die Zahlen der letzten Jahre und v.a. auch aus 2020 selbst ansieht, kann man durchaus behaupten, dass eine vernünftige Vorhersage für Plus500 extrem schwer zu tätigen ist. Von daher nehme ich die Zahlen aus 2020 einfach mal als Status quo her ohne jeglichen Wachstumsannahmen. Normalerweise würde ich sagen: Ein Unternehmen mit dieser finanziellen Basis und dieser Profitabilität hat auf jeden Fall ein EV/FCF-Multiple von 10 verdient. Lässt man einmal gewisse Risiken mit einfließen für dieses aktuell noch mehr oder weniger 1-Produkt-Unternehmen, kann man sagen ein EV/FCF-Multiple von 6 ist fair. Damit würde sich ein Upside von mehr als 100 % ergeben. Klingt irgendwie nach dem Aktionär, wobei der meist mit mindestens 300 % Plus bei defizitären Unternehmen mit ähnlichem Risikoprofil ausgeht.

Was gefällt mir an Plus500:

  1. Durchgängig extrem hohe Profitabilität bei sehr niedriger Kostenbasis. Das Geschäftsmodell scheint recht gut skalierbar zu sein, so dass auch extreme Umsatzrückgänge wie in 2019 gut ausgeglichen werden können.
  2. Überschüssiges Geld wird an Aktionäre zurückgegeben (per Dividenden und mittlerweile auch über Aktienrückkäufe) und vor allem die aktuell sehr niedrigen Bewertungen machen die Rückkäufe meiner Meinung nach wertgenerierend (wenn man denn Aktien besitzt).
  3. Man hat das Problem der Abhängigkeit von einem Geschäftsmodell (CFD-Trading) erkannt und arbeitet an einer Lösung. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass - wenn sie denn zukünftig auch 'normalen' Aktienhandel unterstützen - Cross-Selling-Chancen entstehen. Zeitgleich wird aber auch die Profitabilität darunter leiden. Ist zumindest meine Eindruck, wenn ich mir das etwas breiter aufgestellte Unternehmen IG Group Holdings PLC anschaue.
  4. Was Marktkapitalisierung und Indexzugehörigkeit angeht, fliegen sie meiner Meinung nach noch gut unter dem Radar. Ich konnte auch nirgends mal eine ernstzunehmende Unternehmensanalyse finden. Weiß evtl. ein Leser mehr? Wenn ja, bitte Kommentar hinterlassen.
  5. Die Boni von Managern vom EPS-Wachstum abhängig zu machen, erscheint mir als gute Idee.

Was gefällt mir nicht an der Plus500:

  1. Ähnlich wie Tabakunternehmen, Cannabisaktien, Bestattungsunternehmen oder Waffenhersteller dürfte es relativ unwahrscheinlich sein, dass Fonds aus der 'Für ihr gutes Gewissen'-Ecke hier Geld investieren. Was das angeht, sollte man also - meiner Meinung nach - schmerzfrei sein.
  2. Es gibt einen neuen CEO, der sich auch erstmal beweisen muss. Ich konnte keine Begründung für die recht spontane Abdankung des Vorgängers finden.
  3. Der Handel ist durchaus risikobehaftet, wenn sie eben nicht nur als Vermittler, sondern auch als Wettengegenseite fungieren. Zusätzliche Risiken ergeben sich durch Abhängigkeit von regulatorischen Beschränkungen. Nicht umsonst sind sie nicht den USA tätig.
  4. Es gibt wohl durchaus Anleger, die gerichtlich gegen Plus500 vorgehen. Sollten diese mal Recht bekommen, könnte das sowohl finanziell als auch aus Marketingsicht negative Folgen haben. Bisher kann man ihre Verteidigungsstrategie wohl mit 'Denn sie wissen nicht was sie tun' (im Bezug auf die Sichtweise ihrer Kunden) umschreiben.
  5. Relativ dünne Handelsumsätze an deutschen Börsen. Man sollte daher entweder in London kaufen oder aber auf jeden Fall mit Limit arbeiten.
  6. Sie zahlen aktuell extrem wenig Steuern in Israel. So was kann sich immer mal schnell ändern...

Fazit:

Verrückte Zeiten erfordern verrückte Maßnahmen. Da ich schon immer mal bei einem Glücksspielunternehmen beteiligt sein wollte, habe mir daher einfach mal eine kleine Position gegönnt. Plus500 ist für mich dabei kein Unternehmen, bei dem ich All-In gehen würde. Dafür ist die Abhängigkeit vom zwilichtigen CFD-Handel aktuell einfach zu groß. Sollten hier irgendwelche Regulatoren auf die Idee von Verboten oder ähnlichem kommen, ist für Plus500 das Licht nicht zwangsläufig aus, aber durchaus erstmal etwas dunkler. Und solange die geplante Erweiterung ihrer Angebote noch nicht durchgeführt ist (siehe S. 7 im aktuellen Annual Report), sollte man regelmäßig mal wieder schauen, wie sich der neue CEO (seit Frühjahr letzten Jahres im Amt) so macht.

Andererseits kann ich mir durchaus vorstellen, dass durch Veröffentlichung von News mit bestimmten Schlagwörtern durch Plus500 selbst (z.B. bezüglich der Erschließung neuer Geschäftsfelder) positive Kursentwicklungen entstehen könnten. Zuletzt hat es ja unter anderem bei Support.com, einem der ersten von mir hier vorgestellten Unternehmen, Boom gemacht und der Kurs ist über Nacht durch die Decke gegangen (jetzt klinge ich schon wieder wie 'Der Aktionär' :-) ). Dort war es einfach so, dass ein Bitcoin-Mining-Unternehmen den Zusammenschluss mit Support.com öffentlich gemacht hat (siehe auch hier). Von daher: Schaun wir mal, mit was unsere israelischen Freunde dann so um die Ecke kommen in den kommenden Jahren...

Wichtiger Hinweis: Alle Aussagen stellen persönliche Meinungsäußerungen dar. Für die Richtigkeit dieser Aussagen und der hier dargestellten Zahlen wird keine Gewähr übernommen. Fehler und Fehlinterpretationen können enthalten sein. Von daher sind hier weder Kauf- noch Verkaufsempfehlungen enthalten. Bevor jemand in eines der hier besprochenen Unternehmen investiert, muss er sich selbst damit befassen und seinen eigenen Analysen anstellen.

1 Kommentar:

  1. Die kaufen weiterhin fast täglich 14' eigene Aktien zurück (siehe hier). Zusätzlich haben sie das amerikanische Unternehmen Cunnighham geschluckt zwecks Einstieg in den US-Markt (siehe hier). Und dann gibt es da noch einen (wahrscheinlich ehemaligen) Kunden bzw. ein Gericht, welche dem Algorithmus nicht so trauen (siehe hier).

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