Dienstag, 8. November 2016

Gilead Sciences (GILD): Weltmarktführer für HIV- und HCV-Medizin

Gilead Sciences (GILD): Weltmarktführer für HIV- und HCV-Medizin

Heute wollte ich einmal über ein Unternehmen schreiben, welches als böse gilt, aber gleichzeitig als innovatives Unternehmen Weltmarktführer in 2 Segmenten ist: Gilead Sciences (GILD).

Gilead ist ein amerikanisches Biotech-Unternehmen und Weltmarktführer für HIV- und HCV-Medizin. Aus den Medien ist es als das Unternehmen mit der 1.000 $-Pille bekannt und wurde unter anderem auch schon in der ARD-Sendung 'Hart aber Fair' thematisiert. Das Unternehmen wurde 1987 gegründet und war bis vor wenigen Jahren lediglich als HIV-Medikamenten-Anbieter bekannt. Anfang 2012 wurde das Unternehmen Pharmasset für rund 11 Mrd. $ übernommen. Aus diesem Deal resultierten die Hepatitis-C-Medikamente Sovaldi und Harvoni, welche Ende 2013/Anfang 2014 wie eine Bombe einschlugen, da es die ersten waren, welche bestimmte Hepatitis-C-Varianten fast vollständig heilen konnten. Das Problem an den Medikamenten war, dass sie v.a. zum Marktstart extrem teuer waren. Zwischenzeitlich hat sich einiges an Konkurrenz gebildet (u.a. mit den Medikamenten Viekira Pak (AbbVie), Zepatier (Merck), Daklinza (BMS) und Olysio (Janssen)), so dass die Preise mittlerweile etwas gesunken sind. Sie sind aber mit knapp 400 € / Pille bzw. Gesamtkosten von etwa 40' € für eine 12-Wochen-Behandlung immer noch recht hoch. Was man allerdings bei aller Kritik entgegen halten muss, ist, dass eine Lebertransplantation, welche bei vielen Hepatitis-C-Erkrankten im Endeffekt notwendig wäre, auch mit 50'-100' zu Buche schlägt. Ich gehe davon aus, dass die Preise in Zukunft noch stärker sinken werden.

Zum Kursverlauf:

Sehr gut bis Mitte 2015. Seitdem eher schlecht. Das liegt v.a. daran, dass die HCV-Umsätze mittlerweile sinken (weniger Behandlungen bei geringeren Preisen) und auch daran, dass die Bepreisung von Medikamenten eines der Themen im amerikanischen Wahlkampf waren. Ich bin mal gespannt, wie es aussieht, wenn feststeht, wer denn nun ins Weiße Haus einzieht.

Zu den Geschäftszahlen:

In 2006 gab es das letzte Verlustjahr. Seit dem ging es bis Ende 2015 steil nach oben. V.a. nach Markteinführung von Sovaldi und Harvoni gingen Umsätze, Gewinne und Cashflows durch die Decke. Rechnet man die jüngst veröffentlichten Neun-Monats-Zahlen für 2016 einmal hoch, so kann man erkennen, dass es dieses Jahr seit Langem mal wieder rückwarts geht. Von den Kennzahlen her ist allerdings teilweise so preiswert, wie noch nie. Mir fällt spontan kein schuldenfreies Unternehmen ein, welches mit einer GK-Rendite von > 25 % und einer EK-Rendite von jenseits der 70 % mit einem KGV von 7 bzw. einem KFCF von 6 gehandelt wird. Für die Zukunft wird hier also extrem schwarz gesehen.

Was gefällt mir an Gilead:

  1. Sie sind schuldenfrei. Sie haben über 30 Mrd. $ auf der hohen Kante bei 27 Mrd. Finanzschulden. So was schreit eigentlich nach dem Einstieg eines Activist Investors ('Dear Mr. Icahn...'), v.a. da die Rückkäufe zuletzt zurückgefahren wurden.
  2. Sehr hohe Renditen. GK-Rendite nie unter 12 % in den letzten 10 Jahren und EK-Rendite nie unter 25 %.
  3. Ruhen sich nicht auf ihren Lorbeeren aus. Haben ein paar Medikamente in der Pipeline (u.a. zur Behandlung von NASH (frei übersetzt Fettleber), einer relativ neuen Zivilisationskrankheit). Und auch das neueste HCV-Medikament Epclusa hat es in den ersten 9 Monaten schon auf einem Umsatz von über 700 Mio. gebracht.
  4. Zahlen Dividende und führen Aktienrückkäufe durch. Die Dividendenzahlungen dürften in Zukunft steigen (aktuelle Rendite um die 2 %) und auch die Aktienrückkäufe dürften evtl. intensiviert werden.
  5. Sie sind im Moment recht preiswert v.a. im Vergleich zur direkten Konkurrenz. Selbst, wenn die Gewinne um weitere 50 % fallen, wären sie immer noch bei einem KGV von lediglich 14.

Was gefällt mir nicht an Gilead:

  1. Die Kursentwicklung seit dem letzten Jahr :-) Meistens liegt Mister Market halt doch richtig. Dessen muss man sich bewusst sein.
  2. Schlechtes Image. Es gibt viele Leute, die hier aus moralischen Gründen nicht investieren würden (Darf man mit dem Leid anderer Menschen Geld verdienen?). Allerdings ist es so, dass sie in vielen unterentwickelten Ländern bzw. Ländern mit geringeren Einkommen ihrer Medikamente zu Produktionskosten anbieten. Und mit ihren Produkten retten sie nun einmal Leben und zerstören keine (wie z.B. Unternehmen der Rüstungsindustrie). Moralische Diskussionen überlasse ich an dieser Stelle einfach mal den Kollegen von der ARD.
  3. Umsatzentwicklung nicht wirklich vorhersehbar. Nicht einmal für das Management selbst. Die Konkurrenzsituation im HCV-Bereich dürfte sich verschärfen, denn dort, wo so viel Kohle verdient wird, wollen andere auch mitverdienen.
  4. Ende 2015 waren 27,4 Mio. Optionen ausstehend mit Durchschnittspreis von 28,56 $ und 11m RSUs. Es gibt schlimmeres, aber auch besseres...
  5. Diverse Patentstreitigkeiten sind im 10Q aufgeführt. Das ist aber auch ein extrem schwieriges Thema.
  6. Falls irgendwann mal ein Medikament zur HIV-Heilung entwickelt wird (bei HCV hat es ja auch geklappt), könnten die Umsätze in dem Umfeld wegbrechen.
  7. Das gehobene Management hat in den letzten Jahren viele Aktien verkauft. Neue Aktien haben sie nur preiswert über Optionen und RSUs bekommen. Kann ich ihnen allerdings nicht verdenken, denn ich hätte es an deren Stelle wahrscheinlich auch nicht anders gemacht.
  8. Sie zahlen bisher relativ wenig Steuern (etwas über 20 %). Das bleibt bestimmt nicht ewig so... Ähnlich vielen anderen international tätigen Unternehmen wie z.B. Apple liegt ein Teil der Cashbestände im Ausland und kann daher nicht wirklich sinnvoll von ihnen verwendet werden.
  9. So doof, wie es klingt: sie kannibalisieren ihr eigenes Geschäft. Durch die Heilung der Krankheit gibt es natürlich zukünftig weniger Patienten und somit weniger potentielle Ansteckungsherde. Gut für die Menschheit, schlecht fürs Geschäft.
  10. Im Nachhinein betrachtet waren die bisherigen Aktienrückkäufe schlecht getimed. Da hätte man sicherlich einiges einsparen bzw. mehr Aktien zurückkaufen können. Wobei ich sie hier immer noch besser finde, als Geld für eine teure Akquisition auszugeben. Einen Jackpot wie bei Pharmasset landet man seltener, als es von der Wall Street erwartet wird. Mir erschließt sich hier immer noch nicht ganz, warum die im Moment so viel Cash anhäufen bzw. Schulden aufnehmen. Vielleicht hoffen sie auf einem Markteinbruch, um dann spontan shoppen zu gehen?
  11. Nicht wirklich mein Circle of Competence. High-Level betrachtet (HIV und HCV sind schlecht - Medizin ist gut) verstehe ich es, aber v.a. wenn man sich mal Artikel und Beiträge des Seekingalpha-Nutzers DoctorX durchliest, sieht man erst mal, wie wenig Ahnung man von der Materie hat.

Bewertung:
Da es ein schuldenfreies Unternehmen mit hohem Cashaufkommen ist, bietet sich hier sicherlich eine Bewertung anhand der Cashflows an. In 2015 wurde ein FCF von über 19 Mrd. $ erwirtschaftet. In den ersten 9 Monaten 2016 waren es rund 12 Mrd. Das Ganze war also rückläufig. Für meine 3 Szenarien gehe ich von 8/12/15 Mrd. in 2020 aus. Zusätzlich erwarte ich im Normalfall Rückkäufe von 100 Mio. Aktien und im Optimalfall von 200 Mio. Aktien bis 2020 (theoretisch betrachtet könnten sie mit dem aktuellen Cashbestand und Kurs aktuell 400 Mio. Aktien zurückkaufen - also etwas weniger als 1/3 des Unternehmens).

Zusammen mit entsprechenden Multiplikatoren und Wahrscheinlichkeitsgewichtungen würde sich für mich in 2020 ein fairer Wert ergeben, der um etwa 50 % über dem aktuellen Kurs liegt.

Fazit:
Ich werden die Situation weiter beobachten und meine gekauften Aktien erst einmal behalten. Evtl. kaufe ich noch mal welche nach.

Disclaimer:
Dieser Artikel stellt nur eine Meinungsäußerung dar und ist nicht als Kauf- oder Verkaufsempfehlung zu verstehen. Ich bin kein professioneller Investor oder Anlageberater. Für die gemachten Angaben wird keine Gewähr übernommen, da durchaus Fehler bei der Datenübernahme aus den 10K/10Qs oder aber auch Fehlinterpretationen erfolgt sein können. Bevor du also in das Wertpapier investierst, solltest du dich selbst auf den offiziellen Seiten des Unternehmens schlau machen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen