Vor etwa 3.5 Jahren hat Stefan vom damals sehr lesenswerten Simple Value Investing-Blog ein sagen wir mal kleines 'Finanzexperiment' durchgeführt. Ab und an ist so etwas ja notwendig und das Gute ist, dass man als Außenstehender bei der Durchführung eines Experiments einfach interessiert zuschauen und trotzdem Schlüsse für sein eigenes Denken und Handeln ziehen kann. Dies möchte ich an dieser Stelle tun, da Stefan im Blog selbst leider aus beruflichen Gründen (er ist jetzt in der Finanzbranche tätig und möchte verständlicherweise Interessenskonflikte vermeiden) nicht mehr so viel schreibt. Es geht - das möchte ich an dieser Stelle ausdrücklich betonen - nicht darum, irgendwen an den Pranger zu stellen, sondern einzig und allein darum, das damals begonnene Experiment zum jetzigen Zeitpunkt einmal auszuwerten. Nur interessehalber: der Dax stand im April/Mai 2013 bei rund 8000 Punkten, hat sich seit dem also ganz gut entwickelt (Stand aktuell rund 10.300 Punkten mit Zwischenhoch bei über 12.300 Punkten).
Konkret ging es Stefan darum, in ausgewählte chinesische Firmen zu investieren, die an deutschen Börsen gehandelt werden. Hier geht es zum damaligen Beitrag. Ich persönlich hatte schon lange vor seinem Experiment schlechte Erfahrungen damit gemacht (konkret genannt seien hier Delong, China Fashion und China Water) und war daher von vornherein skeptisch. Bestärkt wurde ich in meiner Skepsis von MMI von valueandopportunity, der den entsprechenden Artikel auch als Erster kommentierte. Stefans These war, dass man mit einem breit gefächerten Korb an solchen Chinesen - ähnlich dem 'normalen' Net-Net-Investing nach Graham - in Summe gesehen langfristig recht gut abschneiden kann. So 'investierte' er jeweils rund 5000 € seines Musterdepots in folgende 11 Unternehmen:
- Asian Bamboo
- China Specialty Glass
- Fast Casualwear
- Greater China Precision Components
- Kinghero
- Ming Le Sports
- United Power Technology
- Vtion Wireless Technology
- Goldrooster
- Ultrasonic
- Haikui Seafood
Hier einmal die Auflistung der einzelnen Unternehmen mit dem damaligen Kaufkurs, dem zwischenzeitlichen Höchstkurs und dem - wenn verfügbar - aktuellen Kurs:
5 von 11 Delistings, 3 von 11 Scheintote und 3 von 11 noch lebende, die allerdings aktuell bei -80 % liegen. Bei den von ihm verschmähten Unternehmen sieht es ähnlich aus.
Fazit:
Ich fand das Experiment sehr gut, denn es hat ein eindeutiges Ergebnis gebracht, mit dem ich durchaus gerechnet habe: ähnlich der goldenen Gebrauchtwagenkäuferregel 'Kaufe niemals einen preiswerten Gebrauchtwagen in Berlin' kann man festhalten 'Kaufe niemals ein in Deutschland gelistetes Chinesen-Net-Net, egal wie toll der Name auch klingt'. Für in Amerika gelistete China-Net-Nets gilt das Gleiche. Ich hoffe, dass Leser dieses Beitrags erkennen, dass man in dem Umfeld der "Deutsch-Chinesen" (und auch "US-Chinesen") extrem vorsichtig sein muss und sich mit extrem hoher Wahrscheinlichkeit verbrennt. Gewiefte Geschäftsmänner spekulieren einfach nur auf 'Dumb German Money'.
Im Endeffekt kam ich auf die Idee zu dem Beitrag, da in der Xing-Gruppe 'Geld verdienen an der Börse' in einem Post zu Organigram vom Autor relativ offensiv nach Meinungen zum Thema/Unternehmen gefragt wurde, aber gleichzeitig eine Rhetorik zur Anwendung kam, die mich stark an den ehemaligen Börsenbrief 'Der Spekulant' erinnerte. Dieser empfahl damals Delong und alles mögliche mit China im Namen. Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass der Organigram-Kurs in 5 Jahren einen wesentlich niedrigeren Wert haben wird, als er sich laut Artikel erhofft.
@Stefan: Falls du das lesen solltest, nochmals der Hinweis, dass ich niemanden an den Pranger stellen möchte. Ich fand es mutig und auch sehr gut, dass du dieses Experiment durchgeführt hast und bin mir sehr sicher, dass du auch deine Schlüsse für dein aktuelles Projekt daraus gezogen hast. Musterdepots sind für genau solche Experimente da.
Hallo,
AntwortenLöschendanke für die Auswertung meines China-Abenteuers. Bin ich irgendwie noch nicht zu gekommen...
War in jedem Fall ein absoluter Reinfall und eine Fehleinschätzung meinerseits. Das einzige was ich vielleicht noch richtig eingeschätzt habe war, dass man kaum einschätzen kann, wer in diesem Bereich gut abschneiden wird und wer nicht und daher stark gestreut habe (hat im Endeffekt aber auch nicht viel genützt).
Was ich vielleicht noch daraus gelernt habe, außer dass man bei in Deutschland notierten Chinesen extrem vorsichtig sein muss:
Ich bin sehr vorsichtig bei Investments geworden, die hohe Chancen bei gleichzeitig hohen Risiken haben. Denn es ist eben sehr schwer einzuschätzen, wie groß die Wahrscheinlichkeit für Erfolg und Misserfolg ist. Da kann man bezüglich des Erwartungswertes eines Investments leicht völlig danebenliegen. In letzter Zeit habe ich mich eigentlich nur noch auf Investments konzentriert, bei denen es eine relativ gute Absicherung nach unten gibt.
Hallo Stefan,
Löschenich denke, dass die Anpassung deines Prozesses gut ist. Mr. Market liegt nun mal in den meisten Fällen richtig und auch ich ertappe mich oft dabei, aus Optimismus zu überstürzt bestimmte Situationen anzugehen und Risiken zu unterschätzen bzw. erst zu spät zu erkennen. Eine realistische Worst-Case-Betrachtung macht immer Sinn.